Sichtbar erfolgreich im Homeoffice
Es besteht die Annahme in vielen Unternehmen, dass Frauen, die daheim arbeiten, wegen zugleich zu erledigender Haus- und Sorgearbeit weniger produktiv sind. © Ilona - Adobe Stock

Sichtbar erfolgreich im Homeoffice

Für viele scheint das Homeoffice eine Art Sehnsuchtsort zu sein. Doch was macht es eigentlich mit der Karriere, wenn man sich in der Firma kaum noch blicken lässt? Erfahrungen und Tipps von zwei Expertinnen, damit das Arbeiten von Zuhause keine Sackgasse für die berufliche Entwicklung wird.

Für viele scheint das Homeoffice eine Art Sehnsuchtsort zu sein. Doch was macht es eigentlich mit der Karriere, wenn man sich in der Firma kaum noch blicken lässt? Erfahrungen und Tipps von zwei Expertinnen, damit das Arbeiten von Zuhause keine Sackgasse für die berufliche Entwicklung wird.

Zuhause, im Firmenbüro, im Coworking Space, im Café: Wo gearbeitet wird, ist in der Tat nicht unerheblich, und das nicht nur aus juristischer Sicht. Das Homeoffice hat viele Aspekte, es wirft Fragen auf, es polarisiert. Dabei ist das Arbeiten von Zuhause keine junge Entwicklung. Seit Jahrzehnten schon stottert dieser Trend so vor sich hin, mal mehr, mal weniger ernsthaft umgesetzt und vorangetrieben. Im Jahr 2019 arbeiteten knapp zehn Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland zumindest gelegentlich von Zuhause aus, zu Hochzeiten der pandemiebedingt verordneten Kontaktbeschränkungen (u. a. Homeofficepflicht) lag die Quote bei rund 49% (Februar 2021). Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln könnten über die Hälfte aller abhängig Beschäftigten theoretisch von zuhause arbeiten, weil ihre Tätigkeiten das zulassen. Für die Bürobeschäftigten gibt das IW diesen Anteil sogar mit 85 Prozent an. („Homeoffice nach fast zwei Jahren Pandemie“, IW-Report 2/2022 (Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.))

Doch hat das Arbeiten von Zuhause wirklich nur gute Seiten oder gibt es auch Risiken? Schließlich ist einer der wesentlichen Unterschiede die Distanz – zu den Kolleginnen und Kollegen, zu den Vorgesetzten, zu den vielen informellen Zusammenkünften, die nicht selten (mit-)entscheiden über personelle Entscheidungen. Es gibt durchaus Stimmen, die vor einem allzu unüberlegten Rückzug ins Homeoffice warnen. So verweist der HR-Experte Stefan Scheller in seinem Blog persoblogger.de (siehe auch Buchtipp auf S. xy) auf noch immer tiefsitzende Vorurteile bei etlichen Führungskräften, die das Arbeiten daheim eher mit Begriffen wie „Bequemlichkeit“ und „Unproduktivität“ in Verbindung bringen würden. Naheliegend ist sicher auch sein Hinweis auf das „unter dem Radar fliegen“ bei der Arbeit im Homeoffice: „Selbst wenn Sie objektiv betrachtet eine herausragend gute Leistung erbringen, heißt das noch lange nicht, dass diese auch bei den entscheidenden Personen ankommt, mithin gesehen und gewürdigt wird.“

Doppeltes Risiko für Frauen

Dass besonders Frauen von negativen Auswirkungen auf die eigene berufliche Entwicklung betroffen sein können, betont nicht nur der HR-Experte und weist auf die noch immer häufige Doppelbelastung hin. Nach wie vor sind es meist die Frauen, die den Großteil der Care-Arbeit übernehmen und das besonders, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Auch die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) kennt das Phänomen natürlich und spricht vom „sogenannten Flexibilitätsstigma“. Damit meint sie die Annahme in vielen Unternehmen, dass Frauen, die daheim arbeiten, wegen zugleich zu erledigender Haus- und Sorgearbeit weniger produktiv seien. Für die Sozialwissenschaftlerin jedenfalls überwiegt die Gefahr, dass Leistungen von Frauen nicht ausreichend gesehen werden und sie somit bei Beförderungen auf der Strecke bleiben. Für die Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB, scheint die Sachlage eindeutig, wie sie in einem Interview der Süddeutschen Zeitung erklärte: „Frauen können in Abwesenheit vom Arbeitsplatz ihre Leistungen oft weniger zeigen, häufig verlieren sie auch den persönlichen Anschluss an ihre Kolleginnen und Kollegen“. Auch auf die Bedeutung von Netzwerken für die Karriere weist sie hin: „Netzwerke lassen sich leichter beim Mittagstisch in der Kantine oder in den Pausen bei Konferenzen knüpfen als auf digitalen Plattformen,“ und auch diese Gelegenheiten würden Frauen verloren gehen, wenn sie physisch abwesend seien.

Hybrid und situationsabhängig

Was also bleibt von den Überlegungen Pro und Contra Homeoffice? Perso-Blogger Stefan Scheller kommt zu dem Schluss, dass das „Homeoffice per se“ weder positiv noch negativ zu bewerten sei: „Es ist entweder gut oder weniger gut passend für die jeweilige Arbeitssituation.“ Soziologin Allmendinger mahnt einmal mehr Geschlechtergerechtigkeit an (längere Elternzeit und mehr Teilzeit für Väter) und eine Abkehr von der auch politisch motivierten Vorgabe, „dass alle so viel wie möglich arbeiten, um […] das Arbeitsvolumen unserer Volkswirtschaft zu erhalten. Ich bezweifle sehr, dass das der richtige Weg ist.“ Ihre Kollegin, die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp, rät ebenfalls dazu, erst einmal die Basis zu schaffen für eine gerechtere Aufteilung des Arbeitszeitvolumens. So könnten sich beide Elternteile beispielsweise auf die gleiche Stundenanzahl einigen, etwa 30 Stunden pro Woche. Ob die dann komplett oder anteilig im Homeoffice und/oder im Firmenbüro erbracht werden, wäre danach wohl erst der zweite Schritt und nicht zuletzt mit dem Arbeitgeber beziehungsweise dem Vorgesetzten und dem Team abzustimmen. Das Thema Sichtbarkeit jedenfalls wäre dann auch gleichmäßiger verteilt und für beide eine Aufgabe, die Stefan Scheller so beschreibt:

„Beschäftigte müssen neben dem eigentlichen Arbeiten und Vollbringen von Leistungen selbige zusätzlich auch bei den für die Karriere wesentlichen Personen in die Sichtbarkeit bringen und regelrecht vermarkten.“ Sein Fazit: „Die Zukunft der Arbeit ist hybrid – Karriere auch.“

„Wenn wir beim Homeoffice von einem hybriden Modell aus Arbeiten von Zuhause und Arbeiten im Firmenbüro sprechen, ist das für mich ein absolut valides Arbeitsmodell.“

Ursula Wartha, Executive Assistant und Finance Officer World Administrators Alliance, www.wa-alliance.de


„Schon vor der Pandemie habe ich in der Regel ein bis zwei Tage im Homeoffice und den Rest der Woche im Firmenoffice gearbeitet, und das sehr erfolgreich. Es gibt ja längst alle technischen Möglichkeiten, um in einen Austausch zu treten und zusammenzuarbeiten. Abstimmungen mit dem Chef oder der Chefin müssen nicht immer persönlich erfolgen. Die Vorgesetzten sind in aller Regel ja auch nicht immer im Büro, Abstimmungen können gut per Telefon, Video-Call oder auch mal per Chat erfolgen. Wichtig ist, dass man in Kommunikation bleibt und dies auch aktiv einfordert.
Tatsächlich ist es remote etwas schwieriger, den ‚informellen‘ Kontakt mit den Kollegen aufrecht zu erhalten, denn das kurze Gespräch in der Kaffeeküche oder beim Mittagessen in der Kantine entfällt. Aber auch hier haben sich Formate entwickelt, die das Kontakthalten ermöglichen, zum Beispiel virtual coffees oder lunches. Hier ist ein wenig Kreativität und Proaktivität erforderlich.

Aus meiner Sicht wird sich ein hybrides Arbeitsmodell für die Assistenz in der Zukunft durchsetzen. Denn zum einen haben wir Assistenzen bewiesen, dass wir auch remote effizient arbeiten, und zum anderen haben auch die Vorgesetzten über die Pandemie die Vorteile des Homeoffices für sich entdeckt. Es gilt, dies aktiv anzusprechen und gemeinsamen ein sinnvolles Arbeitsmodell festzulegen.

Selbst verantwortlich für die eigene Karriere

Meine Person und meine Arbeitsergebnisse sichtbar machen kann ich unabhängig von meinem Arbeitsort. Das fällt Assistenzen in aller Regel schwerer, da sie es gewohnt sind, eher im Hintergrund zu arbeiten. Es gilt deshalb, aus der Komfortzone hervorzutreten und zum Beispiel ein Meeting zu moderieren oder ein Projekt zu leiten. Ob das Meeting dann als Präsenz-Meeting oder virtuell stattfindet, ist nebensächlich, denn bei beiden Versionen stelle ich mich und meine Kompetenzen heraus. Das gleiche gilt für eine Projektleitung: Häufig erfolgt die Teambesetzung über unterschiedliche Funktionen und Standorte des Unternehmens und somit finden in aller Regel viele Meetings und Abstimmungen ohnehin telefonisch oder per Video-Konferenz statt. Das heißt, auch hier mache ich mich sichtbar, unabhängig davon, ob ich im Büro sitze oder vielleicht von zuhause arbeite. 
Eine gute Performance, die mich im eigenen Unternehmen vielleicht auf die nächsthöhere Position bringt, zum Beispiel von der Assistenz des Bereichsleiters zur Vorstandsassistenz, ist ebenfalls ortsunabhängig. Wichtig hierbei ist die Dokumentation und das Sichtbarmachen, beispielsweise im one-to-one-Gespräch mit dem Chef, in einer Performance Review, durch die Präsentation eines Projektes und das gute Ergebnis, das damit erreicht wurde, durch einen Blog im Intranet, über ein besonderes Achievement etc. Die Werbetrommel für sich selbst zu rühren ist wichtig für die eigene Karriere, und auch hier bin ich die entscheidende Akteurin.  

„Für Sichtbarkeit entscheiden“

Die gelernte Diplom-Kauffrau Andrea Huinink hat 14 Jahre im Personalbereich einer großen Bank Berufserfahrung gesammelt, bevor sie sich 2016 als Karriereberaterin, Coach und Recruiterin selbstständig machte (www.karrierecoach-braunschweig.de). Sie beantwortet die Frage: Wie lässt sich Remote Work so gestalten, dass die eigene Leistung von den entscheidenden Personen im Unternehmen wahrgenommen wird?

Selbstvermarktung. Wer als professionelle Mitarbeiterin oder Mitarbeiter wahrgenommen werden will, braucht Sichtbarkeit und regelmäßigen Austausch. Dazu zählt selbstverständlich, den Chef oder die Chefin regelmäßig über die eigenen Arbeitsergebnisse zu informieren. Besprechen Sie gemeinsam, wie die Infos am besten vermittelt werden sollen. Klären Sie: ‚Mir wäre wichtig, dass Sie meine Arbeitsergebnisse auch mitbekommen. Wie wollen wir das machen: Wollen wir einmal die Woche telefonieren, chatten, uns treffen, per Mail kommunizieren?‘ Wenn die Entscheidung Ihnen überlassen wird, überlegen Sie genau, was am besten beim Gegenüber ankommt und gelesen wird. Wenn Sie regelmäßig per E-Mail berichten, achten Sie unbedingt auf aussagekräftige Betreffzeilen. Darüber vermitteln Sie oft schon in aller Kürze und sehr professionell, was Sie erreicht haben oder was Sie thematisieren möchten.

Technische Ausstattung. Eine gute Infrastruktur im Homeoffice ist schon mal die halbe Miete, wenn es darum geht, professionell wahrgenommen zu werden. Eine gute Kamera und gutes Licht sind einfach zu beschaffen. Wenn ich gut ausgeleuchtet bin, kann der andere meine Mimik viel besser erkennen, und wir sind nun einmal darauf angewiesen, zu erkennen, was im Gesicht des anderen passiert. Mit etwas Make-up wirkt man nicht so blass, und auch die Farbe der Kleidung spielt eine Rolle. Idealerweise probt man mit einer Kollegin oder einem Kollegen, wie man per Video am besten rüberkommt und gibt sich gegenseitig ein Feedback.

Das Umfeld. Natürlich sollte auch der Hintergrund stimmen und nicht zu viel Privatheit vermitteln. Im Übrigen ist es auch offline nicht egal, wie man sitzt und in welchem Umfeld (Stichwort aufgeräumter Arbeitsplatz). Es sollte keine Tür im Hintergrund zu sehen sein, und auch die Kinder sollten nach Möglichkeit nicht hereinkommen. Wenn man sich an gewisse Formalitäten hält, wie sie auch im Firmenbüro gelten, vermittelt das allen Beteiligten ein sicheres Gefühl.

Innere Haltung. Ich erlebe immer wieder Menschen, die mir sagen, ich will mich nicht „verkaufen“ müssen. Für mich gehört eine gewisse Präsenz aber unbedingt dazu, wenn ich andere von meiner Leistung überzeugen will. Und diese Präsenz kann man auch per Video erreichen. Entscheiden Sie sich dafür, sich und Ihre Leistung sichtbar zu machen – Ihr Gegenüber hat sonst kaum eine Chance, Sie wahrzunehmen.

Home, Remote, Activity-based: Was ist eigentlich was?

Stefan Scheller ist bei der Datev als Employer Branding Spezialist tätig. Dabei verantwortet er insbesondere die Arbeitgeberkommunikation und berät intern zu Themen rund um Personalmarketing, Recruiting, New Work und digital HR. Seit 2013 betreibt der Jurist den Blog Persoblogger.de. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er gemeinsam mit Christian Beck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, das Buch „Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten“ (erschienen 2021 bei Datev eG, auch als e-book, 19,99 Euro). Für working@office definiert der HR-Influencer die wichtigsten Begriffe rund ums Remote-Arbeiten: 

Virtuelle Zusammenarbeit. Im Gegensatz zur physischen Zusammenarbeit in unmittelbarer räumlicher Nähe, grenzt sich virtuelle Zusammenarbeit ab durch eine Kollaboration auf Basis elektronischer (digitaler) Kommunikation via Internet ohne notwendige physische Nähe. Diese kann sowohl synchron als auch zeitversetzt (asynchron) erfolgen.

Homeoffice. Landläufig wird unter Homeoffice die Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause aus verstanden. Juristisch betrachtet ist der Begriff nur eine Form des „mobilen Arbeitens“. Sie ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber, zeitweilig im Privatbereich zu arbeiten unter Einsatz tragbarer IT-Geräte.

Remote Work. Remote Work (oder deutsch: mobile Arbeit) ist der Überbegriff für jede Art von „Homeoffice“, „Flexwork“ oder „Telearbeit“, bei der die Arbeitsleistung außerhalb der gewöhnlichen Arbeitsumgebung über eine digitale Anbindung erbracht wird.

Hybrid Work (deutsch: hybride Arbeit). Hybrid Work als Mischform aus Arbeit am Arbeitsplatz und über Remote-Lösungen gibt es in mehrerlei Ausprägungen. In unserem Zusammenhang bedeutet es beispielsweise das sequenzielle Aufeinandertreffen von Arbeiten im Unternehmen mit Remote Work an unterschiedlichen Tagen für die betreffende Person, zum Beispiel Montag bis Mittwoch am Arbeitsplatz im Unternehmen und Donnerstag und Freitag im Homeoffice.

Activity-based-working. Activity based working bedeutet, dass das für die jeweilige Arbeitssituation am besten geeignete Umfeld (Ort und Ausstattung) genutzt werden kann. In der Regel bestehen Activity Based Working Areas aus unterschiedlichen (Büro)Zonen, bei denen sowohl größere Räume zur Zusammenarbeit, Kommunikation und Begegnung als auch Rückzugsmöglichkeiten für ruhige (oft kreative) Arbeiten zur Verfügung stehen.

 


w@o: Spielt es aus arbeitsrechtlicher Sicht eigentlich eine Rolle, ob jemand im Homeoffice arbeitet oder eben „remote“, also irgendwo: im Café, im Park, im ICE …?

Stefan Scheller: Tatsächlich ist das nicht egal. Hier kommt es auf die jeweilige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber an. Ausschlusskriterien für die Arbeit in der Öffentlichkeit, zum Beispiel im Café, können die Themen Datenschutz (Einblick anderer Personen ist möglich) oder Datensicherheit (zum Beispiel die Anbindung erfolgt über einen unsicheren nicht-verschlüsselten WLAN-Zugang) sein. Auch können „urlaubsnahe“ Arbeitsorte einen ungewollten Eindruck machen. Darüber hinaus sind für die Arbeit im Freien sicherlich Überlegungen zur Praktikabilität (Laptop am Strand bei wehendem Sand) oder zur Ergonomie (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für gesunde, ergonomische Arbeitsumgebung) anzustellen. Wenn es um einen längerfristigen Auslandsaufenthalt geht, können dazu noch weitere juristische Themen kommen, wie zum Beispiel im Steuerrecht die 183-Tage-Regelung, wonach dann das Steuerrecht des jeweiligen Landes zur Anwendung kommen kann.