Sechs Uhr aufstehen, sieben Uhr losfahren, halb acht im Office: Daniela Pohlmann nutzt als „early bird“ die Gunst der frühen Stunde. „Um die Uhrzeit fließt der Verkehr noch“, sagt sie, da brauche sie vom Münchner Osten bis ins grüne Herz der Stadt nur eine halbe Stunde – die Zentrale der Allianz liegt in der Königinstraße, direkt am Englischen Garten. Doch das war es dann auch schon mit dem Zeitgewinn. Denn ihr Chef Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE, ist ebenfalls Frühaufsteher, gegen acht Uhr ist er im Büro. „Und dann geht es natürlich gleich los mit dem Tagesgeschäft.“
Die kurze Ruhe vor dem Sturm schätzt sie dennoch als Warmup für einen turbulenten Arbeitstag, der nicht selten den exakt getakteten Zeitplan schon nach wenigen Stunden alt aussehen lässt. Personal Assistant Daniela Pohlmann behält den gut gepflegten Terminkalender fest im Blick: „Im Team ist klar, dass ausschließlich ich mich um den Kalender kümmere.“ Die Fülle an Terminen und Reisen, die ihr Chef zu bewältigen habe, sei schlichtweg unglaublich.
„Ich dirigiere ihn über den Kalender – und mir ist sehr bewusst, dass jede einzelne Minute zählt. Wenn ich seine Zeit nicht sinnvoll nutze, dann ist das Verschwendung einer wertvollen Ressource. Es geht nicht darum, Termine im Akkord abzuarbeiten, sondern Inhalte und Begegnungen in gleichbleibend hoher Qualität zu ermöglichen – trotz der Taktung.“
Kommunikation das Allerwichtigste
Daniela Pohlmann arbeitet seit 2013 mit Oliver Bäte zusammen, in einem Umfeld, das von zunehmenden Herausforderungen extern und intern bestimmt ist, und von einer Arbeitsverdichtung, die wie überall mit dem Grad der Digitalisierung immer weiter steigt. Ein ganzes Team bemüht sich um möglichst reibungslose Abläufe im Vorstandsbüro. Unverzichtbare Ansprechpartner für Personal Assistant Daniela Pohlmann sind die „Executive Assistants“, die sich als Referenten um bestimmte Aufgabenbereiche kümmern und Inhalte aufbereiten.
„Sie wechseln regelmäßig, wir haben also immer Bewegung im Team“, erzählt Daniela Pohlmann. Auch später noch, wenn die „EAs“ sich im Unternehmen weiterentwickelt haben, bleiben diese Kontakte eine wichtige Verbindung. „Kommunikation ist in unserem Büro das Wichtigste“, sagt die 52-Jährige. „Das Office-Team ist wie ein Netzwerk von Verbündeten, das auch über die gemeinsame Zeit hinaus Bestand hat.“
Sie selbst neige bei der Beschreibung ihres beruflichen Alltags oft zur Untertreibung: „Ich pflege nur seinen Kalender.“ Vom Team wird sie hingegen liebevoll als „Chief Calendar Officer“ und „first and second line of defense“ bezeichnet. Als unverzichtbare „Go-To-Person“ und geschickte Netzwerkerin, die die internen und externen Stakeholder ihres Chefs weltweit kennt und diese Beziehungen mit Charme und Professionalität pflegt und nutzt. Als resilienter Ruhepol, wenn die Fülle der unterschiedlichsten Anfragen an ihren Chef mal wieder überhand nehmen.
„Mr. Efficiency“, dieser Titel wurde Oliver Bäte schon vor vielen Jahren von einem amerikanischen Finanzmagazin verliehen. Das passt, findet seine Assistentin. „Herr Bäte hat sehr hohe Ansprüche an sich selbst, er will maximale Leistung bringen. Und das erwartet er auch von uns.“
Persönlichkeit statt Personenkult
Sie kann gut umgehen mit dieser Verantwortung. Vielleicht war das mit ausschlaggebend dafür, dass die Wahl auf sie fiel, in dem Bewerbungsgespräch vor zwölf Jahren. Denn neben der rein fachlichen Qualifikation und der Konzern-Erfahrung, die sie mitbrachte, spiele bei ihrer Aufgabe auch noch anderes eine Rolle: „Natürlich habe ich großen Respekt vor der Verantwortung, die seine Position mit sich bringt. Aber ich verfalle nicht in Ehrfurcht – ich weiß, wie ich ihn einschätzen kann und gestalte sein Umfeld entsprechend.“
Oliver Bäte habe sie damals im Gespräch als Persönlichkeit beeindruckt – und das sei bis heute so. „Schon damals habe ich mir gedacht: Langweilig wird die Zusammenarbeit mit ihm sicher nicht. Und genau das hat mich gereizt.“ Dieses gesunde Selbstverständnis bringt sie souverän und authentisch in die Zusammenarbeit ein: „Wir haben einen sehr vertrauensvollen und respektvollen Umgang miteinander, und wir wissen, was wir aneinander haben.“
Traum-Job Assistenz im zweiten Anlauf
Ursprünglich wollte sie mal Lektorin werden, erzählt Daniela Pohlmann, „doch nach dem Grundstudium an der Universität Bielefeld habe ich umgedacht und noch einmal überlegt, was ich mir als Beruf vorstellen könnte.“ Sie mochte Fremdsprachen, ihr lag das Organisieren und sie war gut darin, Kontakte und Verbindungen zu pflegen – „daraus wurde dann eine Ausbildung zur Europasekretärin bei Siemens Nixdorf.“
Mit der doppelten Qualifikation – Grundstudium der Literaturwissenschaften und Europasekretärin – gelang der gebürtigen Ostwestfälin ein Berufseinstieg auf hohem Niveau. Mit 25 Jahren begann sie beim Medienunternehmen Bertelsmann in Gütersloh als „Assistant to Board Member for Multimedia“, von dort ging sie als Assistant to the Managing Director zur Internetbuchhandlung BOL – einer damaligen Bertelsmann-Tochter mit Sitz in München. Ende 2001 wechselte sie zur Allianz Venture Partners GmbH und war dort für das Management Team zuständig, „ich hätte mir damals niemals träumen lassen, dass ich einmal in der Zentrale am Englischen Garten arbeiten würde.“
Dazwischen liegen Berufsstationen bei zwei Investmentfirmen und einem Biotechunternehmen, inklusive Familienpause. „Damals lebten wir in Leipzig und ich habe die Auszeit vom Job für meine Tochter sehr genossen.“ Die Rückkehr ins Berufsleben war von vornherein geplant: „Ich habe meine Jobs immer als sehr bereichernd empfunden. Das Arbeiten neben dem Muttersein hat bei mir Energien freigesetzt.“
Dass ihr Chef ohne Wenn und Aber bereit war, sich auf die Teilzeitwünsche seiner Assistentin einzustellen, war wiederum für sie ausschlaggebend: „Ich habe damals wirklich überlegt, ob das geht – Mutter einer 8-jährigen Tochter sein und gleichzeitig ein Job, der zeitlich so viel abverlangt. Oliver Bäte hielt sich an die Vereinbarung: „Oft kam er um 17 Uhr aus einem Meeting zurück und sagte, ‚Sie müssen los, Ihre Tochter abholen.‘ Das hatte schon etwas von einer Vorreiterfunktion, denke ich. Wir haben gezeigt, dass die Kombination Job und Familie auch auf so einer Flughöhe funktionieren kann.“
Ein Assistenznetzwerk gegründet
Längst schon arbeitet sie wieder Vollzeit, die Tage im Office sind oft lang, bis 19, 20 Uhr ist keine Seltenheit: „Bei dem Job gehört das einfach dazu.“ Einen Ausgleich gibt es, wenn Oliver Bäte beruflich unterwegs ist, „dann verbringe ich nicht so viel Zeit im Büro.“ Dass sie mittlerweile bei Geschäftsreisen öfter dabei ist, zu den anderen Allianz-Standorten zum Beispiel, freut sie: „So gut wie alles, was in der Welt passiert, hat eine Relevanz für uns. Da sind persönliche Kontakte und ein regelmäßiger Austausch enorm wichtig.“
Das Netzwerken liegt ihr auch für das eigene Berufsbild am Herzen. Gemeinsam mit einer Kollegin aus HR gründete sie vor einigen Jahren das Netzwerk „assistants@Allianz SE“ am Standort München, es hat rund 90 Mitglieder. „Wir sind nicht bundes- oder weltweit einheitlich organisiert, tauschen uns aber gut miteinander aus und laden uns gegenseitig zu Events oder Learning-Einheiten ein.“
Fortbildung läuft immer mit
Es gibt eine interne „Allianz University“, die von allen Mitarbeitenden über Desktop, Tablet oder Smartphone genutzt werden kann. Mehr als 10.000 Kurse sind jederzeit abrufbar, wöchentlich kommen etwa 25 neue Lerneinheiten dazu. „Ich bin sehr neugierig“, erzählt Daniela Pohlmann, „ich probiere gern neue Technologien aus und setze ein, was ich für sinnvoll halte.“
Das Assistenz-Netzwerk übernimmt dabei wie in vielen anderen Unternehmen eine wichtige Aufgabe: „Man nimmt unsere Kompetenz wahr. Für neue Technologien und Tools sind wir häufig die Multiplikatoren.“ Um das Berufsbild Assistenz habe sie keine Angst, sagt Daniela Pohlmann, „das Berufsbild verändert sich zwar im Augenblick massiv, doch wenn man diese Veränderung als Chance begreift, dann hat man eine Zukunft.“
An ihrer Position bedeutet das vor allem, das Profil genau an die jeweiligen Anforderungen anpassen zu können. Deshalb gebe es im Vorstandsbüro eben noch die klassische Assistenz, mit einem starken Team und der Unterstützung durch neue Technologien. Aber: „Meinem Chef ist es wichtig, dass ich im Hintergrund die Fäden zusammenhalte und den Überblick in alle Richtungen behalte. Dafür ist der persönliche Kontakt unbedingt nötig.“
Es war wohl das, was Oliver Bäte meinte, als er 2015 anlässlich seines Aufstiegs in den Vorstandsvorsitz zu seiner persönlichen Assistentin sagte: „Sie müssen gut auf mich aufpassen, Frau Pohlmann.“ Eine Aufgabe, die sie jeden Tag mit Freude erfüllt, „und die keine Technologie ersetzen kann“. Eines ist ihr dabei allerdings stets bewusst: „Geliehene Macht sollte man niemals ausspielen. Man muss immer für sich selbst stehen können.“