Sekretärin der Ersten Bürgermeisterin – das klingt toll! Findet Annette Haslbeck auch, und sie erinnert sich, dass das vor fünf Jahren, als sie die Stellenausschreibung las, durchaus mit ausschlaggebend war für ihre Bewerbung. „Aber eben nicht nur“, sagt sie, „es waren die Aufgaben, die mich gereizt haben. Ich dachte, ja, das liegt mir, das bin ich.“ Der Job ging an sie. Ausgewählt aus mehr als hundert Bewerbungen startete die damals 50-Jährige im Oktober 2020 ihre Karriere bei der Stadt Vilsbiburg – und war bald ernüchtert.
Ein Start mit Selbstzweifeln
„Erstens war Corona, ich arbeitete also weitgehend kontaktarm. Und ich stellte schnell fest, dass die Abläufe in der freien Wirtschaft, aus der ich kam, und die Prozesse in einer Verwaltung ziemlich anders sind. Ich kannte mich nicht aus, und das nach mehr als 30 Jahren Berufserfahrung. Das war ein schlimmes Gefühl für mich.“ Mit „Bauchschmerzen“ ging sie in den Weihnachtsurlaub und nahm sich vor, während der Ferien gründlich über die Situation nachzudenken. Das habe sehr geholfen, sagt sie, und auch die Gespräche mit ihrem Mann taten gut. „Ich kam zu dem Schluss, dass ich es unbedingt weiter versuchen wollte. Wenn ich wieder im Büro bin, dann gebe ich richtig Gas, nahm ich mir vor.“ Die Probezeit sollte im März 2020 enden: „Bis dahin wollte ich Gewissheit haben, ob ich am richtigen Platz bin oder nicht.“ „Ab Mitte Februar ging es aufwärts. Man muss sich einfach einlassen auf das, was man tut!“
Der Perspektivwechsel half. Statt sich weiter schlecht zu fühlen, weil sie mit ihrer bisherigen Professionalität oft nicht weiterkam, akzeptierte sie die neuen, anderen Arbeitsstrukturen und nahm sie als Herausforderung an. Und sie staunte nicht schlecht, als sie sich zum ersten vorgeschriebenen LOB-Gespräch – LOB steht für Leistungsorientierte Bewertung – mit Bürgermeisterin Sibylle Entwistle zusammensetzte: „Es kam eine halbe Stunde tatsächlich nur Lob!“ Die Chefin zählte alles auf, was ihr so gut an ihrer neuen Mitarbeiterin gefiel. Neben Arbeitseifer und selbstständiger Arbeit war das vor allem die Lösungsorientiertheit, und, „besonders selten, meinte die Chefin, die Bereitschaft, Fehler, die ja jedem mal passieren, einzugestehen und zu korrigieren.“ Sie hatte ihre neue Mitarbeiterin also ganz anders wahrgenommen, was in dem Feedback-Gespräch zum Glück deutlich wurde. Annette Haslbeck war erleichtert und motiviert zugleich.
Gute Zusammenarbeit mit der Kollegin
Ihre Sekretariats-Kollegin Tanja Wilhelm arbeitet Teilzeit und übernimmt ihre Vertretung während Abwesenheiten. Das Vorzimmer ist gemeinsamer Arbeitsplatz, jede hat ihre eigenen Aufgaben, und was der Alltag mit sich bringt, wird aufgeteilt. Annette Haslbeck schätzt die Zusammenarbeit: „Eine sehr nette und fähige Kollegin, sie hat immer schon alles fertig vor dem eigentlichen Termin.“ Das Klischee vom „Faulenzertum“ im Amt hört sie manchmal noch und ärgert sich darüber.
„Bei uns geht es immer recht turbulent zu, alle haben viel zu tun.“ Natürlich spiele bei den Tätigkeiten im Rathaus das Verwaltungsrecht eine große Rolle, es gebe viele Dienstvorschriften. „Aber schließlich operieren wir ja auch mit den Steuergeldern unserer Bürgerinnen und Bürger. Und da finde ich es nur gerechtfertigt, dass alles seine Ordnung haben muss und die Abläufe nachvollziehbar sind.“
Schritt für Schritt nach oben
Annette Haslbeck wird 1970 in der niederbayerischen Kleinstadt nahe Landshut geboren, Schule und Ausbildung absolviert sie dort, „als Bürokauffrau im Textilhaus Brandl“. Ihre beruflichen Stationen führen sie anschließend als „Schreib- und Bürokraft“ zur Deutschen Rentenversicherung Bund, wo sie sich in Abend- und Wochenendstunden zur staatlich geprüften Sekretärin IHK fortbildet. „Das war neben dem Job zwar oft anstrengend“, erinnert sie sich, „aber es hat sich sehr gelohnt“.
Mit dem Sekretärinnenbrief und einem fundierten Erfahrungsschatz wechselt sie knapp zehn Jahre später zum Automobilzulieferer Dräxlmaier in Vilsbiburg. Von der Abteilungssekretärin bis zur Assistentin einer Business-Unit-Leitung steigt sie dort auf und bildet sich ständig weiter. Eine Umstrukturierung des damals in die Krise geratenen Unternehmens beendet ihre Laufbahn nach gut elf Jahren, an diese Zeit erinnert sich Annette Haslbeck nicht gern.
„Ich wollte auf keinen Fall arbeitslos sein“, sagt sie, und so geht es nahtlos weiter bei der vhs Landshut, als Projektassistentin. Durchaus eine spannende Erfahrung für die damals 39-Jährige, aber doch nicht ganz das, war ihr als Zukunftsperspektive vorschwebt. Nach 20 Monaten kehrt sie zurück in die freie Wirtschaft, als Sekretärin bei dem Bauunternehmen Breiteneicher. Mit 50, sie ist mittlerweile zehn Jahre dort, beschließt sie noch einmal einen Wechsel, „ich hatte Lust auf etwas Neues“.
Abgelaufene Pässe und Skorpione
Da kam die Stellenanzeige der Stadt Vilsbiburg gerade recht. Das anfängliche Fremdeln mit den Strukturen einer Verwaltung ist längst überwunden. Annette Haslbeck liebt an ihrem Job besonders die Bürgernähe, „Zentrale Anlaufstelle für Anliegen von Bürgern“ heißt das im Geschäftsverteilungsplan. Das Telefon steht meist keine Minute still und die Sekretärin ist ganz Ohr. „Es sind die unterschiedlichsten Anliegen, die ich da zu hören bekomme. Das reicht vom abgelaufenen Pass kurz vor einem Auslandsurlaub, über Beschwerden wegen eines Strafzettels für falsches Parken, bis hin zu so ungewöhnlichen Anrufen wie ‚Hilfe, ich habe einen Skorpion bei mir gefunden!‘“
Sind es Anliegen, die tatsächlich ein Gespräch mit der Bürgermeisterin erfordern, stellt sie ihr den Gesprächstermin mit entsprechenden Notizen in den Outlook-Kalender, damit sie vorbereitet ist.
Jeden Mittwochnachmittag ist Bürgersprechstunde. Bevor die Bürgerinnen und Bürger einen Termin zur Sprechstunde erhalten, nutzt Annette Haslbeck ihr Wissen über Vilsbiburg und ihre Einwohner, und versucht mit Feingefühl herauszufinden, was das jeweilige Anliegen ist. Meist ist dann gar kein Termin für die Bürgersprechstunde bei der Ersten Bürgermeisterin vonnöten, sondern die entsprechenden Fachabteilungen können direkt helfen.
Es gibt auch jede Menge Verwaltungsarbeit im Vilsbiburger Rathaus. Die Sekretärin ist froh, dass die Digitalisierung so breit umgesetzt wird. Nach einer entsprechenden Fortbildung fühlt sie sich fit im Dokumentenmanagementsystem: „Wir müssen hier sehr auf Aufbewahrungsfristen und -vorschriften achten, wir haben dokumentarische Pflichten. Deshalb war es auch keine Kleinigkeit, das Büro von Papierordnern in einen digitalen Workflow umzuorganisieren.“ Als sie sich dieses Projekt vorgenommen hatte, kam eine Kollegin, Archivarin und Leiterin des Heimatmuseums, hinzu, die das gesamte Material mit ihr sichtete und sortierte. „Für die Nachkommenschaft ist es wichtig, Unterlagen auch länger als 30 Jahre aufzubewahren.“
Sinnstiftend, vielfältig …
Die Sekretärin arbeitet der Ersten Bürgermeisterin Sibylle Entwistle zu, und dem Geschäftsleiter Sebastian Stelzer. Annette Haslbeck schätzt den 38-Jährigen nicht nur für seinen umfassenden Sachverstand: „Er ist die Seele des Hauses. Für ihn gibt es keine Probleme – nur Lösungen! Mit seiner ruhigen und lösungsorientierten Art findet er stets einen Weg und schafft es sogar, in hitzigen Momenten eine beruhigende Atmosphäre zu verbreiten.“
Über ihre Chefin sagt sie mit großem Respekt: „Sibylle Entwistle ist eine echte Powerfrau“, die Zusammenarbeit mit ihr verlaufe auf Augenhöhe, wertschätzend – und durchaus auch mal kontrovers. „Aber ich kann immer sagen, was mir nicht passt. Wir reden und wir lachen miteinander. Humor ist wichtig, nicht nur bei der Arbeit!“ Die studierte BWLerin, in Niederbayern geboren, ist nach zwei Jahrzehnten in der freien Wirtschaft in die Kommunalpolitik eingestiegen. Für „ihre“ Vilsbiburger will sie vor allem erreichbar sein, das Miteinander stärken, die Region nachhaltig entwickeln. Annette Haslbeck unterstützt sie aus vollem Herzen bei diesen Zielen, wie das gesamte Team.
… und Lebenselixier
Gegenseitige Unterstützung schätzt Annette Haslbeck grundsätzlich, sie ist Mitglied bei ANiD – Das Assistenznetzwerk in Deutschland. „Das gibt mir ungeheuer viel, beruflich und privat.“ Für die gebürtige Vilsbiburgerin hat sich Engagement immer ausgezahlt, resümiert sie. Als sie einmal wegen einer Knie-OP pausieren musste, ist sie nach der Reha-Kur gleich am nächsten Tag wieder ins Office gegangen. „Das hat manche gewundert, die meinten, ich sollte mich doch besser noch etwas erholen. Aber ich wollte unbedingt wieder ins Büro. Die Arbeit, der Alltag, die Abwechslung – ich brauche das einfach!“