„Ohne Visionscollage kann ich nicht in ein neues Jahr starten“, erzählt Claudia Pusch. Während andere sich mit schnöden guten Vorsätzen abplagen, erstellt die systemische Therapeutin seit über zehn Jahren ein Visionboard für ihre persönlichen und beruflichen Ziele. Sie ist immer wieder überrascht, was während des kreativen Prozesses entsteht und sich im Verlauf von zwölf Monaten entwickelt.
Und das nicht nur bei sich selbst: Erstmals kam Claudia Pusch, die heute Einzelpersonen und Unternehmen bei den Themen Resilienz und gesunde Selbstführung begleitet, durch ihre Arbeit in einer Gründungsberatung für Frauen mit dem Thema in Kontakt. Dort nutzte sie Visionboards, um angehende Selbstständige dabei zu unterstützen, ihre Vision für das eigene Business zu finden und daraus konkrete Schritte abzuleiten.
Mittlerweile bietet sie seit vielen Jahren Visionboard-Workshops an. Zudem führt sie Visionboard-Formate als Team- oder Kongress-Events durch. Die Trainerin erlebt in all diesen Kontexten Visionboards als kraftvolles Werkzeug, das bei den Teilnehmenden positive Emotionen auslöst: „Die Menschen sind während des Prozesses so gut mit sich selbst verbunden und enthusiastisch, wenn sie die Ergebnisse sehen.“
Wie Visionboards wirken
Die Wirkung von Visualisierung ist wissenschaftlich gut belegt. „Unser Verstand kann Wünsche auch verdecken – ein Visionboard kann helfen, sie wieder sichtbar zu machen“, sagt Claudia Pusch. Visionboards arbeiten mit Bildern, Emotionen und intuitivem Erleben – und sprechen damit unsere unwillkürlichen inneren Mechanismen im Gehirn an. Die sogenannten „Bottom-up“-Prozesse laufen automatisiert und unbewusst ab und machen rund 90 Prozent unserer Verarbeitung aus.
Willentliche „Top-down“- Steuerung, also eine rein kognitive Zielsetzung, die mit einem hohen Energieaufwand verbunden ist, bleibt dagegen häufig wirkungslos. Deshalb bleiben gute Vorsätze auf der Strecke, sobald uns Energie und Lust fehlen.
Die Resilienz- Expertin erklärt: Ziele, die ausschließlich aus dem Verstand heraus entstehen, fußen oft auf nicht hinterfragten Überzeugungen und äußeren Anforderungen („Ich muss dies oder das tun, um ...“). Dabei werden eigene Bedürfnisse häufig unterdrückt oder gar nicht mehr wahrgenommen.
Ein Visionboard ist eine Visualisierung eines erwünschten Erlebens, das uns mit allen Sinnen motiviert, also in Bewegung bringt, und mit bewussten und unbewussten Werten, Bedürfnissen und Zielen übereinstimmt. Diese intuitive Weisheit, das heißt, innerlich zu wissen, was sich stimmig anfühlt, können wir über Bilder ansprechen. Kurz und knapp: „Wenn mein Ziel mich nicht emotional berührt, bleibe ich auf der Couch“, so Claudia Pusch.
Ein Visionboard zu gestalten, ist laut Claudia Pusch ein klar strukturierter, aber hochintuitiver Prozess. Benötigt werden einfache Materialien: Schere, Kleber, etwa drei unterschiedliche Zeitschriften (pro Person) sowie großformatiger, farbiger Karton. Eine klare, offene Leitfrage führt durch den Prozess, z. B. „Wie kann ich gelassener arbeiten?“ oder „Was wünsche ich mir für die zweite Jahreshälfte 2025?“ Visionboards eignen sich ebenfalls für Projekte oder neue Rollen im Beruf. Wem das Basteln weniger liegt, kann ein Visionboard mithilfe von Apps auch digital erstellen.
Der Ablauf erfolgt in drei Phasen:
1. Intuitives Bildersammeln (ca. 30 Minuten): Schnell, ohne zu viel nachzudenken, werden Bilder ausgesucht und ausgeschnitten, die eine körperliche Resonanz auslösen – ganz gleich, ob wir sie in dem Moment rational einordnen können oder nicht.
2. Gestaltung & Kleben (ca. 30 Minuten): Ausgewählt wird ein farbiger Hintergrund, der im Moment stimmig wirkt. Oft wechselt die Farbwahl nach Auswahl der Bilder. Beim Kleben geht es um freies, impulsives Platzieren – nicht um strukturierte Cluster wie „Beruf“, „Familie“ oder „Gesundheit“. Alles ist erlaubt. Auch während des Gestaltungsprozesses ist es wichtig, spontane Impulse zuzulassen und sich vom rationalen Denken ein Stück weit zu lösen.
Obacht: Eine Fehlerquelle besteht vor allem in einer zu kopfgesteuerten Herangehensweise (statt intuitiv) oder einem fehlenden Fokus (zu viele diffuse Themen auf einmal statt einer Leitfrage).
3. Reflexion (15 Minuten): Am Ende wird das fertige Visionboard reflektiert. Dabei helfen gezielte Fragen zur Bedeutung der Collage: Was fällt mir als Erstes auf? Welche Atmosphäre nehme ich wahr? Welche Sinne werden angesprochen? Wie geht es mir mit dem entstandenen Bild? Wofür stehen die einzelnen Ausschnitte? Gibt es Überraschungen? Was gefällt mir besonders gut? Was löst Widerstand aus? In Gruppen ist auch der Austausch über das Gesehene wertvoll – er bringt oft neue Perspektiven.
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