New Pay im Unternehmen
Über Geld spricht man nicht, vor allem nicht, wenn es um Gehälter in Unternehmen geht. Diese Weisheit war bis vor kurzem noch weit verbreiteter Glaubenssatz. Doch wenn die New-Work-Arbeitswelt traditionelle Strukturen in Organisationen aufbricht, warum nicht auch die Aspekte, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden entlohnen? Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bieten neu gedachte Entlohnungssysteme eine Chance für Unternehmen, sich gegen Wettbewerber durchzusetzen und motivierte Mitarbeitende für sich zu gewinnen. Im New Pay Report 2021, herausgegeben vom New Pay Collective in Zusammenarbeit mit der Hochschule Pforzheim, ist zu lesen, dass sich mehr als 53,3 Prozent der Unternehmen angeben, dass es einen Veränderungsbedarf in Bezug auf Entlohnungsmodelle bei Unternehmen gibt, aber nur 12,1 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich aktiv mit diesem Bedarf und Prozess.
Wie kann New Pay die Unternehmenskultur stärken?
Den Begriff New Pay haben im deutschsprachigen Raum Sven Franke, Nadine Nobile und Stefanie Hornung geprägt, deren Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Demnach sollten Gehälter und Vergütung Fair, Transparent, Flexibel, Selbstbestimmt und partizipativ sein. Der New Pay Report wiederum führt insgesamt 7 Dimensionen an, die Organisationen Bezugspunkte geben sollen, um das Vergütungssystem und Gehaltsmodelle in Abgleich mit der eigenen Unternehmenskultur weiterzuentwickeln und die sich zum Teil mit den Werten der drei Buchautorinnen und -autoren Nobile, Hornung und Franke, decken:
- Fairness
- Transparenz
- Selbstverantwortung
- Partizipation
- Flexibilität
- Wir-Denken
- Permanent Beta
Welche der Dimensionen für das jeweilige Unternehmen oder der Organisation eine größere Rolle spielt, hängt vom Reifegrad des Unternehmens ab. Wichtig ist, dass es bei den Dimensionen und auch bei New Pay in seiner Gesamtheit um mehr geht als nur um die Karriere, das monatliche Entgelt, um leistungsbasierte Boni oder Provisionen.
Ist Flexibilität das neue Geld?
Laut einer aktuellen Umfrage des Online-Karrierenetzwerks LinkedIn sind 75% der Arbeitnehmer bereit, auf ein höheres Gehalt zu verzichten, wenn sie dafür mehr Flexibilität in ihrer Arbeitszeit oder eine bessere Work-Life-Balance erhalten. Eine Studie des Beratungsunternehmens Mercer ergab, dass Unternehmen, die alternative Vergütungsmodelle anbieten, eine höhere Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit aufweisen.
Tatsächlich war der Wunsch nach Flexibilität und Autonomie insbesondere bei der Wahl des Arbeitsortes bei Arbeitnehmenden nie so groß wie in den letzten Jahren. Mitarbeitende möchten selbst entscheiden oder mitentscheiden, an welchem Tag sie ins Büro kommen und an welchem Tag sie von zu Hause aus arbeiten. Zudem möchten Sie ihren Tagesablauf frei gestalten und ihre Aufgaben zu der Tageszeit erledigen, an der es für sie am besten passt.
Der Faktor Flexibilität kann daher durchaus auch im Vergütungssystem einen Platz finden. Beispielsweise führt der New Work Report an, dass Unternehmen die Möglichkeit nutzen können, dass Mitarbeitende selbst wählen, ob Sie mehr Urlaubstage, mehr Gehalt oder eine verkürzte Arbeitszeit pro Woche wählen können.
Mit welchen unterschiedlichen Emotionen ist Transparenz verbunden?
Zwar gibt das Lohntransparenzgesetz seit 2 Jahren die rechtliche Grundlage für Transparenz und Gleichbehandlung in Vergütungsmodellen. Die Realität sieht jedoch oftmals anders aus: Klassische Vergütungs- und Gehaltssysteme sind nach wie vor von Intransparenz und vertraglich geregelten Geheimhaltungsklauseln geprägt. Der Gender Pay Gap liegt in Deutschland nach wie vor bei 18 %.
Die Ergebnisse des New Pay Reports legen nahe, dass den Befragten vor allem wichtig ist, das Verfahren der Entlohnung zu verstehen. Sie wünschen sich beispielsweise Transparenz über die Gehaltshöhe einer vergleichbaren Referenzgruppe innerhalb des Unternehmens. Eine Transparenz jedoch über die Gehaltshöhe aller Mitarbeitenden lehnen die meisten Befragten ab.
Sind Faire Gehälter eine Utopie?
Insbesondere bei den Werten Fairness und Partizipation winken mittelständische Unternehmen, Organisationen und Großkonzerne vermutlich ab. Aus Sicht großer Unternehmen sind Entlohnungsmodelle und Gehaltssysteme wie das Einheitsgehalt oder ein Wunschgehalt wohl eher in Startups und NGOs denkbar. Fakt ist: Ob die Höhe des eigenen Gehalts fair ist oder nicht, bemisst derjenige, dem es ausgezahlt wird, aus einer völlig anderen Perspektive als der Vorgesetzte oder die Vorgesetzte. Es gibt jedoch andere Ansätze, um sich dem Wert Fairness zu nähern, beispielsweise über eine Gehaltsformel, die für Mitarbeitende nachvollziehbar berechnet, wie sich das eigene Gehalt oder das Gehaltsband berechnet.
Um zu erfahren, wie fair Mitarbeitende das Vergütungssystem finden, ist es wichtig, den Status quo abzufragen. Darüber hinaus bietet sich an, einen gemeinsamen Workshop anzubieten, um Ideen zu sammeln, wie das Vergütungssystem im eigenen Unternehmen optimiert oder verbessert werden kann. Auch das trägt dazu bei, dass Mitarbeitende selbst sich daran beteiligen können, ein Vergütungsmodell neu zu denken.