Ein bewussterer Konsum von Nachrichten hat einen Einfluss auf unsere mentale Gesundheit, ebenso die Auswahl der Medien selbst. Konstruktiver Journalismus zum Beispiel wendet sich einer lösungs- und dialogorientierten sowie multiperspektivischen Berichterstattung zu. Drei Expertinnen zeigen, wie ein gesünderer Umgang mit Medien gelingen kann und welchen Einfluss das auf unser Denken, Handeln und auf unseren Alltag hat.
Ronja von Wurmb-Seibel ist Journalistin, Autorin und Filmemacherin, sie war Politikredakteurin bei der ZEIT und hat zwei Jahre als Reporterin in Kabul gelebt. In dieser Zeit habe sie gelernt, Geschichten so zu erzählen, dass sie Mut machen, sagt sie. In ihrem Buch „Wie wir die Welt sehen“ erklärt sie, wie sich negative Nachrichten auf unser Denken auswirken und warum es sich lohnt, einen gesünderen Umgang damit zu finden.
Anhand ihrer eigenen Geschichte, wissenschaftlichen Erkenntnissen, zum Beispiel aus der Trauma- und Journalismusforschung, und Einblicken in die Mechanismen des medialen Betriebs beschreibt sie, wie Nachrichten unsere Wahrnehmung bestimmen. Denn zu viele negative Nachrichten belasten die mentale Gesundheit und können uns in einen Zustand von Hilflosigkeit versetzen. Doch gerade in Zeiten multipler Krisen ist es wichtig, sowohl informiert als auch handlungsfähig zu bleiben.
In ihrem Buch zeigt Ronja von Wurmb-Seibel, wie wir die Welt im Alltag mit anderen Augen sehen, uns Geschichten auf neue Art erzählen können und sie gibt nach jedem Kapitel Hinweise für eigene Alltagsexperimente. Zum Beispiel: „Welche Geschichten hören, sehen und lesen Sie über den Tag verteilt? Wie viele davon sind ausschließlich negativ? Verschaffen Sie sich einen Überblick. Zählen Sie nicht nur Nachrichten, Filme und Bücher, sondern auch Anekdoten, die Ihnen Menschen in Ihrer Umgebung erzählen.“
RAUS AUS DEM KRISENMODUS
Dr. Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpsychologie in Köln. 2016 gründete die Autorin das erste werbefreie Online-Magazin für Konstruktiven Journalismus: Perspective Daily richtet sich nach Leitprinzipien, wie zum Beispiel Zukunfts- und Lösungsorientierung, arbeitet wissenschaftsbasiert und nutzt die Erkenntnisse der positiven Psychologie.
Demnach nehmen Negativnachrichten uns die Antriebskraft und führen zu erlernter Hilflosigkeit. Perspective Daily begreift persönliche und gesellschaftliche Herausforderungen als veränderbare Zustände und möchte die Selbstwirksamkeit der Lesenden stärken. Täglich wird ein umfangreicher Artikel zum Lesen oder Hören veröffentlicht und ist über ein Mitgliedersystem abonnierbar. In ihrem Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ beschreibt Maren Urner Denkfallen, die uns sowohl im persönlichen als auch im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leben in einen Krisenmodus versetzen.
Zudem erklärt die Neurowissenschaftlerin die Funktionsweisen des Gehirns, die das statische Denken begünstigen, zum Beispiel das Gehirn als „Gewohnheitstier“ oder „miesen Risikobewerter“. Diesem statischen Denken, das von Sicherheitsstreben, Risikovermeidung und Verlustangst bestimmt ist, setzt die Autorin das Konzept des dynamischen Denkens entgegen. Das meint, ein System des Wollens in den Hirnstrukturen zu verankern, das die Neugier zur Triebfeder unseres Denkens macht und mehr auf Lösungen als auf Probleme fokussiert ist.
DIGITAL DETOX IM ALLTAG
Dr. Daniela Otto ist Literaturwissenschaftlerin und beschäftigt sich seit ihrer Doktorarbeit mit dem Thema Vernetzung. Als Expertin für Digital Detox setzt sie sich für das Thema Mental Health ein und gibt den Lesenden in ihrem Buch „Digital Detox“ eine Anleitung zur gesunden Smartphone-Nutzung an die Hand. Die Autorin erklärt die psychologischen Hintergründe für unsere Medienabhängigkeit sowie den Ursprung unserer Vernetzungssehnsucht. Sie zeigt Wege auf, die zu einer selbstbestimmten Mediennutzung verhelfen und plädiert für eine entspannte Life-Media-Balance.
Das Buch enthält praktische Tipps, Challenges sowie Beispiele aus dem digitalen Alltag. Dabei nimmt es nicht nur das Privatleben zwischen Social Media, Storytelling und Selfie- Kultur in den Blick, sondern wendet sich auch dem Thema New Work zu. Zum Beispiel erklärt die Autorin, inwiefern Multitasking uns unglücklich macht, wie medialer Stress uns auch im Arbeitsleben überfordert und wie wir die Vorteile des Work-Life-Blendings im Homeoffice ausnutzen können. In diesem Sinne sagt Daniela Otto: „Die neue Arbeitsweise verlangt eine neue Einstellung. Denn vieles ändert sich – ändern wir es zum Guten.“
Neben der Auswahl der Medien und einem bewussteren Nachrichtenkonsum kann uns digitale Achtsamkeit dabei helfen, Stress zu vermindern und unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren. Hier geht es darum, digitale Technologien wie unser Smartphone möglichst bewusst, selbstbestimmt und weniger „ferngesteuert“ zu nutzen. Hier finden Sie einige Tipps, die Sie immer wieder von Neuem anwenden können, auch wenn Sie einmal in vorherige Muster zurückfallen sollten:
- Bildschirmzeit analysieren. Wie viel Zeit verbringe ich mit Blick auf das Smartphone? Welche Apps sind die größten Zeitfresser? Was möchte ich ändern? Wer seine Bildschirmzeit kennt, kann sich selbst (App-)Limits setzen.
- Aus den Augen, aus dem Sinn … Bereits das Gerät in der Nähe zu haben, lenkt uns ab. Deshalb öfter mal das Smartphone aus dem Sichtfeld legen, in die Tasche, ins Nebenzimmer oder sogar in eine verschließbare Phonebox.
- Push-Nachrichten abstellen. Wer braucht schon 100 Mitteilungen am Tag? Deaktivieren Sie die Benachrichtigungen - wenigstens für einige – vielleicht sogar für alle Apps.
- Digital Detox. Lassen Sie das Handy eine Stunde, einen Abend, einen Tag oder ein Wochenende aus. Beobachten Sie, was passiert, wenn keine ständigen Ablenkungen auftreten.
- Besser schlafen ohne Smartphone. Bildschirmlicht stört den Schlaf. Schalten Sie deshalb mindestens eine Stunde vor dem Einschlafen Smartphone & Co. aus und verbannen Sie Ihr Telefon am besten gleich aus dem Schlafzimmer.