Frauen sind auf einem unaufhaltsamen Vormarsch in die Macht- und Einflusspositionen vieler Gesellschaften der Welt – und das ist gut so. Veränderte Rollenmuster und schwindende Geschlechterstereotype sorgen für einen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser Wandel wird von internationalen Bestrebungen vorangetrieben. Die UN Sustainable Development Goals 2030 wollen die globale Entwicklung wertebasiert vorantreiben. Zielbild ist es, dass alle Menschen an wesentlichen Aspekten des Zusammenlebens und einer nachhaltigen Existenz teilhaben sollen. Einer der wichtigsten Aspekte ist dabei die Gleichbehandlung der Geschlechter.
WIR BRAUCHEN MEHR TEMPO
Mütter steigen in westlichen Ländern schneller wieder in die Erwerbsarbeit ein und Väter gehen häufiger in Elternzeit und Teilzeit. Dadurch ergeben sich für Frauen und Männer neue Perspektiven in der Lebensführung. Nach wie vor besteht großer Nachholbedarf bei der Partizipation von Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Dabei ergibt sich weltweit ein sehr unterschiedliches Bild. Aktuell werden vor allem in großen Schwellenländern die Karten neu gemischt: In China sind weibliche Führungskräfte schon weit verbreitet und auch in arabischen Ländern steigt der Anteil weiblicher Führungskräfte in Verwaltungs- und mittleren Politikpositionen mittlerweile schneller. Schneller bedeutet in diesem Fall jedoch nach wie vor nicht schnell genug. Im Management hat der Anteil von Frauen in den letzten beiden Jahrzehnten global über alle Ebenen nur von 25 auf 28 Prozent zugenommen.
In Deutschland ist das Tempo in manchen Bereichen ähnlich schleppend, zwar strebt die Bundesregierung eine paritätische Besetzung ihrer Führungspositionen bis 2025 an. In der freien Wirtschaft gleicht das Niveau jedoch eher dem von Entwicklungsländern. Im Jahr 2019 lag der Frauenanteil an Vorstandsmitgliedern bei 9,3 Prozent. Während der Corona-Pandemie sank der Frauenanteil in DAX-Vorständen sogar. Im Jahr 2021 jedoch gab es in deutschen Börsenunternehmen den bislang größten jährlichen Zuwachs an Frauen in Vorständen. Mit dem durchschnittlichen Veränderungstempo der vergangenen Jahre würde es noch 26 Jahre dauern, bis in den Vorständen ebenso viele Frauen wie Männer arbeiten.
ERWEITERUNG DER 2-GESCHLECHTER-DEBATTE
Wurde in den 80-, 90- und 2000-er Jahren noch stark über Feminismus und Frauenrechte diskutiert, ist die Diskussion heute um den LGBT+-Bereich erweitert. Aktuell sieht man auch bei diesem Trend, wie Schleifen- und Gegenbewegungen entstehen können oder sich die Wachstumsgeschwindigkeit verlangsamt und erlahmt: Plötzlich plädieren Frauen für entschiedene Mutterschaft, ein Kulturkampf über Identitätsideologie und moralische Panik wird geführt.
GENDER-BIAS IM BLICKPUNKT
Durch tradierte Rollenbilder und Ungleichbehandlung von Frauen werden sogenannte Gender Biases (geschlechterbezogene Verzerrungen) mehr und mehr aufgedeckt: In patriarchalen Gesellschaften wird der Mann als einzige Norm wahrgenommen, das führt dazu, dass beispielsweise in der Medizin geschlechterspezifische Eigenschaften nicht berücksichtigt wurden, weil Ergebnisse aus männlichen Untersuchungsgruppen einfach auf Frauen übertragen wurden, ohne geschlechterspezifische Unterschiede zu berücksichtigen.
WAS UNTERNEHMEN HINTERFRAGEN SOLLTEN
Gender Bias ist ein strukturelles Problem, welches Unternehmen auf zwei Ebenen hinterfragen sollten: Im Bereich der Arbeitskultur sollten Unternehmen dafür sorgen, dass Frauen sichtbar sind und diverse Führungsteams für ein ausgewogenes Verhältnis sorgen. Zudem ergeben sich durch den Megatrend auch in der Produktentwicklung und -weiterentwicklung neue Chancen.