Viele Assistenzkräfte freuen sich über mehr Verantwortung und nehmen Herausforderungen freudig an. Wie daraus Führungsverantwortung werden kann, zeigen die drei Erfahrungsberichte. ©Rafa Fernandez/AdobeStock
Viele Assistenzkräfte freuen sich über mehr Verantwortung und nehmen Herausforderungen freudig an. Wie daraus Führungsverantwortung werden kann, zeigen die drei Erfahrungsberichte. ©Rafa Fernandez/AdobeStock

Assistenz mit Führungs-verantwortung: Bereit für den Rollenwechsel?

Fremdbestimmtes Zuarbeiten ist nicht mehr Hauptmerkmal des Assistenzberufs. Immer öfter ist auch Führungsverantwortung gefragt. Drei Assistentinnen mit Leadership-Erfahrung berichten aus der Praxis.

Seit 1996 ist Janet Reinhold im Assistenzberuf tätig. Angefangen hat sie in einer internationalen Wirtschaftskanzlei, dort konnte sie bereits Erfahrung zum Thema Führung sammeln. Ihr damaliger Chef, der 2019 verstorbene Dr. Dirk-Reiner Martens, gründete 2009 eine eigene Anwaltskanzlei für Sportrecht und Schiedsverfahren. Janet Reinhold begleitete und organisierte die Firmengründung mit ihm gemeinsam. Seitdem arbeitet sie als Office-Managerin mit Führungsverantwortung bei Martens Rechtsanwälte. Aktuell besteht die Kanzlei aus einem zehnköpfigen Team mit sechs Juristen und vier Assistenzkräften.

Janet Reinholds Tätigkeitsgebiet reicht von Office- und Event-Management über Marketing- und Personalthemen bis hin zu EDV-Verwaltung. Außerdem arbeitet sie bei kanzleiinternen und mandantenbezogenen Projekten mit, zum Beispiel bei der Entwicklung und Implementierung innovativer Streitbeilegungssysteme sowie der Administration und Organisation institutioneller Schiedsgerichte. Auch die Erstellung von Schulungskonzepten und deren Durchführung fällt in ihr Aufgabenfeld. „Mein Arbeitsbereich ist außerordentlich breit gefächert, was mir sehr viel Spaß macht“, erzählt die Office-Managerin. Und weil in der Kanzlei vor allem langjährige Mitarbeitende tätig sind, fühle es sich wie eine Büro-Familie an.

IN DIE FÜHRUNGSROLLE HINEINGEWACHSEN

Der Einstieg in Führungsthemen habe sich aus der Projektentwicklung ergeben, erzählt die Office-Expertin rückblickend. Schon während ihrer Arbeit in der Wirtschaftskanzlei wurde ihr die Leitung des internen Schulungsteams übertragen, sie unterstützte die Programmierung und Weiterentwicklung der hauseigenen Anwaltssoftware, erarbeitete umfassende Schulungskonzepte und Benutzerhandbücher, war für den Rollout der Software sowie Schulungen im In- und Ausland zuständig. Seit der Firmengründung von Martens Rechtsanwälte ist der Anteil an Führungsverantwortung noch gewachsen. „Seitdem bin ich im Office-Management und habe sehr viel mitgestalten dürfen. Jetzt halte ich alle Fäden in der Hand“, so Janet Reinhold. Sie ist die Verbindung zwischen der juristischen und der administrativen Seite der Kanzlei, was sehr viel Koordinationsarbeit beinhaltet.

UNTERSTÜTZUNG DURCH EIN BUSINESS-COACHING

Führungsarbeit bedeutet für Janet Reinhold, eine Vision zu haben, Projekte Schritt für Schritt durchzuführen und Vertrauen im Team aufzubauen. „Das definiere ich als Teil der Führungstätigkeit: Ansprechpartnerin zu sein, Sicherheit zu geben und gemeinsam zu einem Ziel zu gelangen“, sagt die Office-Managerin. Sie meint, als Führungskraft sei es wichtig, sich nicht mit dem Status quo zufriedenzugeben und sich mit Freude und Begeisterung für die gemeinsame Arbeit und die Ziele einzusetzen. Eine Herausforderung sei es, gerade in einem kleinen Teamgefüge wie bei Martens Rechtsanwälte, die Balance zu halten: einerseits Teil des Teams zu sein und andererseits in die Führungsrolle zu gehen.

„Führung heißt für mich, etwas mitgestalten und bewegen zu wollen, Empathie zu haben und andere zu fördern. Aber es heißt eben auch, Struktur zu geben, klare Ansagen zu machen und wenn nötig, etwas einzufordern.“ Janet Reinhold empfiehlt bei einem Rollenwechsel von der Assistenz zur Führungskraft, sich durch ein Business-Coaching begleiten zu lassen, um einen neutralen Blick und Unterstützung von außen zu bekommen. Das habe ihr selbst durch viele Veränderungsprozesse geholfen: „Ich glaube, man muss sehr bei sich sein, bevor man dem Gegenüber begegnen kann.“

Auch Bettina Haug, Assistentin der Geschäftsführung bei der Augustinum gemeinnützigen GmbH, empfiehlt, sich bei einem Rollenwechsel sowohl intern als auch extern unterstützen zu lassen. Sie selbst hat einige Zeit die Führung des Empfangsteams in der Zentralverwaltung des Sozialkonzerns geleitet, diese Rolle Anfang des Jahres jedoch an ihre Kollegin Ruzica Rösing weitergeben können. Das Vertrauen in die Fähigkeiten der Kollegin habe sich gelohnt: „Wir sind sehr glücklich, dass wir sie für diese Leitungsrolle gewinnen konnten“, sagt Bettina Haug.

Auch Ruzica Rösing ist sehr zufrieden mit ihrer neuen Position. Sie ist seit über 30 Jahren im Unternehmen tätig und freut sich über die Verantwortung und das Vertrauen, das in sie gesetzt wird: „Die Führungsrolle macht mir Spaß, weil ich von allen gut angenommen werde und jeden Tag Bestätigung bekomme.“ Bettina Haug ist weiterhin Ansprechpartnerin bei Fragen, außerdem wird Ruzica Rösing durch ein externes Coaching unterstützt. „Der Empfang ist der Dreh- und Angelpunkt der Hauptverwaltung. Es ist wichtig, sich in der Leitungsrolle dieser Bedeutung bewusst zu sein und wenn möglich vorausschauend zu agieren“, beschreibt die Assistentin der Geschäftsführung die Qualitäten ihrer Kollegin.

EINE HOHE MOTIVATION IST SCHON DER HALBE ERFOLG

Führung bedeute vor allem, Verantwortung zu übernehmen, meint Bettina Haug, die im Netzwerk IMA (International Management Assistants) aktiv ist. Sie begreift den Assistenzberuf als wunderbare Spielwiese, um Führung auch bei kleineren Projekten zu lernen und zu üben. „Wichtiger als die fachliche Tiefe finde ich den menschlichen Aspekt: sich als Vorbild für die Mitarbeitenden zu verhalten“, so Bettina Haug. Damit habe man einen sehr großen Hebel als Führungskraft. Außerdem dürfe man in einer Führungsposition nie aufhören, den Mitarbeitenden zuzuhören und Ideen, Argumente und Vorstellungen der anderen gelten zu lassen. Assistenzkräften, die in eine Führungsrolle wechseln, empfiehlt sie, mutig zu sein und den Schritt zu wagen.

„Man muss nicht alles wissen, darf Fehler machen und es sollte erlaubt sein, in eine Rolle hineinzuwachsen“, sagt Bettina Haug. So erlebt es auch Ruzica Rösing, die sich immer an ihre Kollegin in der nächsthöheren Ebene für Unterstützung wenden kann: „Bettina Haug wusste, dass ich noch nicht alles kann, aber ich hatte den Wunsch, es zu lernen.“ Und mit dieser Motivation war der Erfolg beinahe vorprogrammiert.

5 Mal Praxis-Tipps: Von der Assistenz zur Führungskraft

Viele Assistenzkräfte freuen sich über mehr Verantwortung und nehmen Herausforderungen freudig an. Wie daraus Führungsverantwortung werden kann, zeigen die drei Erfahrungsberichte. Die wichtigsten Tipps der Kolleginnen:

1. Optionen erkennen. Assistenzen unterschätzen oft die Möglichkeiten, Führungsrollen zu übernehmen. Führung kann auch bedeuten, die Organisation für ein Event oder ein Projekt zu leiten. Oft bieten sich gerade hier Möglichkeiten, um Führung auszuprobieren und zu üben.

2. Die neue Rolle reflektieren. Zum einen ist es ratsam, geduldig mit sich selbst zu sein und mit Bedacht vorzugehen. Zum anderen ist Selbstreflexion essenziell: Wie möchte ich führen? Wie soll mein Team aussehen? Welche Ziele möchten wir erreichen?

3. Klare Strukturen entwickeln. Wer in eine Führungsrolle wechselt, wird schnell merken, dass Struktur und klare Kommunikation den Teammitgliedern Sicherheit geben. Zuhören zu können und den anderen auf Augenhohe zu begegnen sind außerdem wichtige Qualitäten.

4. Bereitschaft zu lernen. Es sollte erlaubt sein, in eine Führungsrolle hineinzuwachsen. Fehler sind menschlich. Außerdem ist es nicht notwendig, alles vorher zu wissen. Dabei ist es wichtig, sich auf die nächsthöhere Führungsebene verlassen zu können.

5. Fachlichen Austausch suchen. Ein begleitendes Coaching bei dem Rollenwechsel von der Assistenz zur Führungskraft hilft dabei, sich selbst, das Team, einzelne Themen und das ganze System aus einer neutralen Perspektive zu betrachten.